Coronavirus in Deutschland
«Genesen» nur noch 3 Monate: Ist das wissenschaftlich sinnvoll?
Stand 27.01.22 - 12:03 Uhr
0
Die Entscheidung, dass Genesene nur noch knapp drei Monate als geschützt gelten, sorgt vielfach für Unmut und Unverständnis. Ist das Vorgehen wissenschaftlich haltbar?
Die politische Entscheidung, dass Genesene nur noch knapp drei Monate als geschützt gelten, sorgt vielfach für Unmut und Unverständnis. Foto: Marcus Brandt/dpa
Was wir über Genesene wissen – und was nicht
Frankfurt/Main (dpa) – Der Immunologe Carsten Watzl spricht von «Blindflug»: Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie weiß niemand in Deutschland halbwegs genau, wie viele Menschen bis zum jetzigen Zeitpunkt von einer Corona-Infektion genesen sind.
- Anzeige -Bis zu 20 Millionen könnten es durchaus sein, schätzt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Die Entscheidung, die Dauer des Genesenen-Status bei den Corona-Schutzmaßnahmen auf drei Monate zu halbieren, findet Watzl «nicht nachvollziehbar». Genesene sollten Geimpften gleichgestellt werden.
Wie häufig infizieren sich Genesene erneut mit Corona?
«Zahlreiche Studien» hätten herausgefunden, dass Menschen, die von Covid-19 genesen sind, sich in den Monaten darauf selten erneut infizieren, erläutern Noah Kojima und Jeffrey Klausner in einem Beitrag im Fachmagazin «The Lancet Infectious Diseases» vom November. Einer Studie vom September zufolge senkte eine Infektion mit dem Delta-Typ des Virus das Risiko, sich erneut zu infizieren, um mehr als 80 Prozent.
Eine andere Studie zeigte, dass sich von mehr als 9.000 zuvor Infizierten innerhalb eines Jahres nur 0,7 Prozent erneut ansteckten. Einschränkung dabei: Die Variante Omikron, die verstärkt von anderen Varianten Genesene infizieren kann, kursierte noch nicht.
Die Immunität ist mit Omikron variabel
«Wenn man eine Infektion durchgemacht hat, ist man immun», sagt Watzl. «Aber die Immunität ist sehr variabel.» Beim Einen sei sie sehr stark, beim Anderen eher schwach. «Im Mittel ist man etwas weniger geschützt als mit zwei Dosen Biontech.» Aber, betont Watzl, es gebe auch Vorteile: «Bei Genesenen geht der Antikörperspiegel etwas langsamer zurück als bei Geimpften. Und die Antikörper sind breiter aufgestellt.»
Antikörper sind zudem nur ein Teil des Schutzes, den der Körper ausbildet. T-Zellen könnten möglicherweise sogar lebenslang aktiv sein. Patienten, die sich 2002/03 mit Sars-Cov-1 infiziert hatten, wiesen laut «The Lancet Infectious Diseases» noch 17 Jahre später T-Zellen gegen diesen Virentyp auf. Die Autoren empfehlen der Politik explizit, Genesene mit Geimpften gleichzustellen – allerdings fiel dieses Urteil eben zu einer Zeit, als die Delta-Variante dominierte. Ist die Lage mit Omikron anders?
Omikron hat Situation für Genesene und Geimpfte verändert
Watzl glaubt nicht, dass sich die Situation für Genesene durch Omikron entscheidend verändert hat. «Studien zeigen zwar, dass viele Antikörper von Genesenen die Omikron-Variante nicht mehr so gut erkennen können und diese Personen damit kaum noch einen Schutz vor der Infektion haben», sagt der Immunologe. «Aber diese Veränderung gilt ebenso für Geimpfte. Wenn man den Genesenen-Status verkürzt, muss man das eigentlich auch für die Impfzertifikate tun.» Die Verkürzung auf drei Monate sei eine «politische Entscheidung, die auf Basis der Daten nicht nachvollziehbar ist». Kritiker sagen: Bei der Entscheidung sei es vor allem darum gegangen, mehr Menschen zum Impfen zu bewegen, nicht um eine wissenschaftlich sinnvolle Lösung.
- Anzeige -Die Gültigkeit des Genesenen-Nachweises wurde Mitte des Monats laut Robert Koch-Institut (RKI) gekürzt, «da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Delta-Variante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikron-Variante haben». Die Bundesregierung beruft sich auf die Festlegung des RKI. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch: «Das war jetzt keine politische Entscheidung, sondern es ist der wissenschaftliche Stand, den das RKI, das dafür zuständig ist, mitgeteilt und umgesetzt hat».
Für Reisen in der EU gilt Genesenen-Status weithin 6 Monate
Die EU-Staaten hatten sich dagegen am Dienstag darauf verständigt, dass sich Reisende ab 1. Februar innerhalb der Union ohne weitere Auflagen frei bewegen können sollen, wenn sie einen gültigen Impf-, Test- oder Genesenennachweis vorlegen. Beim Genesenennachweis wird hier eine Gültigkeit von 180 Tagen genannt, also sechs Monate. Deutschland und anderen Ländern steht es jedoch frei, für Aktivitäten innerhalb des Landes – etwa Restaurantbesuche – den Genesenenstatus kürzer gelten zu lassen.
- Anzeige -Der Virologe Hendrik Streeck, Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung, sagte der «Welt», man müsse «wirklich aufpassen, dass die Entscheidungen auf fundiertem Wissen basieren und nicht willkürlich getroffen werden». In einem Gastbeitrag für die «Zeit» schrieb er kürzlich: «Vernachlässigt wird die wachsende Gruppe der Genesenen … Da der Schutz nach einer Infektion vergleichbar mit dem nach einer Impfung ist, sollte der Genesenenstatus aufgewertet, sollten Genesene Geimpften gleichgestellt werden.»
«Hybride Immunität» sei «der beste Schutz»
Das RKI schätzt die Zahl der Genesenen derzeit auf rund 7,5 Millionen (Stand Donnerstag), geht aber selbst von einer «Untererfassung» aus. «Wir wissen nicht, wer in Deutschland genesen ist, wir wissen nicht, wer nur genesen ist und wer sich später noch hat impfen lassen», sagt Watzl. Das sei aber wichtig, um die Größe der viel beklagten Impflücke realistisch einzuschätzen. Watzl spricht ohnehin lieber von «Immunitätslücke». Die könnte durchaus kleiner sein als angenommen, schätzt Watzl, denn Genesene müssten ja zur Zahl der Geimpften dazugerechnet werden.
Als Plädoyer gegen eine Impfung will Watzl seine Aussagen explizit nicht verstanden wissen: Nach einer Infektion sei es sehr ratsam, sich dennoch impfen zu lassen. Eine solche «hybride Immunität» sei «der beste Schutz, den die Wissenschaft aktuell kennt».
Mehr Beiträge und Themen
Schockierende Videos sind aus der Hundestagesstätte Isarpfoten e.V. aufgetaucht: Ein oder mehrere Mitarbeitende werden dabei gezeigt, wie sie Hunde quälen.
Wegen des heftigen Schneefalls am Wochenende und den anhaltend schlechten Straßenverhältnissen, fällt an einigen Orten in Bayern die Schule aus. Hier gibt's die aktuelle Übersicht.
Die Schneemassen haben München weiterhin im Griff - und das merkt man auch im Nahverkehr. Auswirkungen gibt es zum Teil noch bei der Regionalverkehr mit Zügen und den Trambahnen.
Albtraum Flughafen: Nach den kräftigen Schneefällen des Wochenendes ist der Flugverkehr in München nach wie vor stark eingeschränkt. Hunderte Passagiere stecken fest. Auch für Dienstag ist keine Normalisierung in Sicht.
Schnee und Eis sorgen in Süddeutschland weiter für Verkehrsprobleme. Vielerorts fahren im Süden Bayerns auch zwei Tage nach den massiven Schneefällen noch keine Züge; Flüge fallen aus - eine komplette Rückkehr zum «Normal» wird noch dauern.
95.5 Charivari schickt dich auf Münchens größte Silvesterparty: SOMNIA im Zenith. Wir laden dich und deine Freunde auf eine legendäre Silvesternacht ein, hier gibt’s alle Infos!
Winter in München - doch die Arbeit macht keine Pause. Was ist, wenn ich wegen des Schneechaos nicht rechtzeitig zu meinem Job erscheine? Droht mir eine Abmahnung?
Das Wochenende war in München aufgrund des Schneetreibens ziemlich chaotisch. Ein paar Einschränkungen bleiben auch noch unter der Woche.
Schneemassen am Wochenende in Süddeutschland sorgten für Verkehrschaos und Stromausfälle. Die Auswirkungen sind noch deutlich spürbar.
Die Christkindlmarkt-Saison in München Stadt und Land läuft. Auf welche du dich freuen kannst, zeigen wir dir hier.
In einem aktuell festgefahrenen Tarifkonflikt baut die GDL mit dem nächsten Warnstreik weiter Druck auf. Worauf sich die Fahrgäste einstellen müssen - jetzt und im neuen Jahr.
Der Münchner Nahverkehr soll einfacher, größer und besser werden. Zum Dezember gibt es schon erste Änderungen durch die Gebietserweiterung.
Wer bei einem Arzt bereits bekannt ist und keine schweren Krankheitssymptome hat, kann sich künftig wieder telefonisch krankschreiben lassen.
Die Polizei sucht nach einem 69-Jährigen, der vermisst wird und auf Hilfe angewiesen ist. Wer hat ihn gesehen?
Die Lokführer treten in den Streik - ab Donnerstagabend bis Freitagabend. Die GDL übt damit weiter Druck auf die Deutsche Bahn aus.
Der Stadtrat hat den Mietenstopp für städtische Wohnungen offiziell bestätigt - und das unbefristet. Betroffen sind rund 170.000 Münchner.
An Bayerns Schulen soll das Gendern verboten werden. So will es der Ministerpräsident. In der gerne zitierten Schulfamilie kommt Söders Vorstoß alles andere als gut an.